Taubertal-Festival, Rothenburg
Freitag, 23. Juli 1999
 
Das war ein Rock'n'Roll-Wochenende, wie es seines gleichen sucht. Freitags habe ich etwas eher Feierabend gemacht weil Lenz mich um 16 h abholen wollte. Natürlich völlig unnötig, weil die Jungs wieder so mexikanisch unterwegs waren, dass sie erst um 17:30 h bei mir auftauchten. Egal. Ab auf die Bahn, Richtung Süden. Eigentlich wollten wir (Lenz, Schwarzer, Loon und ich) uns mit dem zweiten Auto (DeziBel, Maik T und Andree) auf dem Highway treffen, was aber durch den einstündigen Vorsprung von DeziBel's Mazda wohl nicht mehr ganz hinhauen sollte. Der „Tannenbaum“ von Lenz sah mit dem 5 Meter langem Rohr auf dem Dach, in dem das Backdrop war, ziemlich bedrohlich aus, denn die verdutzten Autofahrer vermuteten wohl eher einen Torpedo darin. Nach ca. 4 Stunden Fahrt kamen wir in "Rothenburg ob der Tauber" an (das ist doch kein Ortsname...*kopfschüttel*).
 
Das war es dann also, das berühmt-berüchtigte Taubertal-Festival, das wir ja alle schon von unzähligen Wiederholungen von Bayern3 mitten in der Nacht her kannten. Schön gelegen, umzingelt von unzähligen Ü-Wagen und Millionen von sternhagelvollen, einen nicht zu verstehenden Dialekt sprechenden Menschen, lag es da vor uns. Und so sollte es bleiben, weil wir erst gar nicht rein kamen. Bei der Einfahrt zum Gelände blockierten THW-Wagen den Weg. Ein wichtig aussehender Security-"Offizier" fummelte angestrengt an seinem Funkgerät rum, als Lenz ihn darum bat zu klären, dass wir passieren dürfen. Als nach 10 Minuten immer noch kein Verantwortlicher das OK gegeben hatte, schickte uns der der Uniformierte einfach rein - was sich gerade so einfach anhört. Aber da gerade auf diesem Feldweg tausende betrunkene Gäste hin und her torkelten, brauchten wir für die paar hundert Meter viel zu lange. Und STOP. Wieder eine Hürde. Diesmal eine "Offizeuse". Nachdem das "wer seid das ihr?" geklärt war, durften wir auch hier weiterfahren. Immer weiter Richtung Zeltbühne, die etwas abseits (hinter der Hauptbühne lag, aber so gewaltig war, dass sie mit jedem riesigen Schützenfest-Zelt mithalten konnte. Da trafen wir dann auch auf unsere Jungs, die uns freudestrahlend empfingen und wichtige Backstage-Pässe und Armbändchen aushändigten. Kurz die Lage gepeilt - aha, kein Soundcheck, nur kurzer Line-Check, Auftrittszeit ca. 0:30 h, Pyro's am Start. Halb Eins erwies sich dann als perfekte Zeit, weil die Zeltbühne als "After Hour" geplant war. Vor V-LENZ traten die Darwins und eine Coverband auf. Beide nicht schlecht, aber auch nicht gut.
 
Also hatten wir noch ein wenig Zeit und liefen zum Festival-Gelände und wunderten uns stark über die heftige Party, die bei Liquido abging. Wir begutachteten die geniale Gegend ein wenig und trafen uns mit den "Donots", die gerade noch auf der Hauptbühne gespielt haben, im Backstagebereich um ausgiebig zu speisen. Von da aus lauschten wir dann noch den luuschen Klängen, die die "Fun Lovin' Criminals" als Headliner für diesen Abend zauberten. Es wurde Zeit, sich mal langsam wieder im Zelt blicken zu lassen, wo die Coverband gerade "Lords of the Boards" besser als Guano Apes selbst schmetterte. Und vor erstaunlich heftig viel Publikum. Die Gäste mussten von der Hauptbühne aus zum Campingplatz direkt an der Zeltbühne vorbei und so wurde es nach dem Headliner der Mainstage schnell sehr voll in dem Zelt.
Wegen dem aussergewöhnlichen Jack-Daniels Stand war nicht nur das Zelt mit Leuten voll - die Leute waren es auch...
 
Als die letzte Zugabe von den Cover-Jungs kam, bereitete ich mich auf meine Aufgabe vor. Loon wies mich in die Geheimnisse des kontrollierten Bumms ein. Also verkabelte ich die ganze Bühne, machte insgesamt 8 Ladungen klar - 4 Theaterblitze, 4 Knaller, die dann also mit insgesamt zwei Zündungen für den gewünschten Effekt sorgen sollten. Ohne das ich es richtig mitbekommen hätte, war der Line-Check auch schon erledigt und es ging los. Die Stage verdunkelt, ein Hauch von Nebel, die Jungs gehen in Position. Das Intro geht los, wächst zu einem gänsehautauslösenden Spannungsaufbau - BANG!!! APOKALYPTISCHE VERSE!!! Geil. Laut. Hell. Die Jungs rockten los, Loon und Maik T schreien sich die Seele aus dem Leib, Lenz fegt wie ein Irrer über die Bühne, Andree schüttelt im Hintergrund alles was er hat. Ich stand mit dem Remote-Zünder in der Hand fasziniert neben der Bühne und fühle mich, als wären das keine Theaterblitze und Knaller gewesen sondern ein gewaltiger Spermaschuss und legte ein breites Orgasmus-Grinsen im Gesicht auf. Ich sicherte den Zünder, bereitete den zweiten Schuss vor und schnappte mir die Kamera um ein paar Songs zu filmen. Aus dutzenden Einstellungen fing ich das Szenario ein. Die 45 Minuten Programm gingen viel zu schnell vorbei. Fix stand ich wieder rechts neben der Bühne, um meinen Einsatz zum glorreichen Ende von "Henker" nicht zu verpassen. Pünktlich auf den letzten Bass-Schlag - BANG! (hoho, da könnte ich mich dran gewöhnen). Das Licht ging aus, die Rauchschwaden von den Pyro's verziehen sich langsam. Tja, die Show war nicht nur für das Fussvolk der Renner, auch die massig anwesenden Pressevertreter waren alle schwer begeistert und klopften dem nach Luft japsenden Lenz eifrig auf die Schultern. Abbauen war angesagt (meine Güte, waren die Kabel und Abschuss-Stationen versifft...). Alles in die Autos - und nu? Es hatten zwar alle noch Bock aber nicht mehr die Kraft Party zu machen. Daher wurde kurzerhand entschlossen, sich ins Hotel zurückzuziehen. Es war ja auch mittlerweile schon 3 h oder so. Und der Alkohol-Pegel setzte auch den einen oder anderen vom Team matt.
 
Am nächsten Morgen saßen wir alle mit Spardosenblick beim viel zu frühen Frühstück zwischen den anderen stirnrunzelnden Hotelgästen und kippten literweise Kaffee. Schwarzer und ich gingen in einen Supermarkt, um noch ein wenig Verpflegung zu besorgen. Mit vollbepackten Armen kamen wir zur Kasse und schauten uns verwirrt um, weil wir ein Behältnis für unseren Einkauf suchten. Schwarzer fragte: "Wo finde ich denn Tüten?" und das Schnuckelchen an der Kasse antwortete feist: "Na ich hab Tüten" - "Ja, das sehen wir..." sagte ich und mein Wasser drohte hinunterzufallen, weil ich mich vor Lachen kaum noch halten konnte... und die hat noch nicht mal gecheckt was ging und schob uns kommentarlos die Plastik-Lösung rüber. Mann, die hatte aber auch Dinger, ähh, Tüten... hahahaha. Als wir wieder Luft bekamen, stiessen wir zu den anderen und waren auch schon auf dem Weg zum nächsten Festival.