Staatsforsten Open Air, Staatsforsten
Samstag, 31. Juli 1999
 
Nachdem ich eine viel zu lange Nacht im TOS-Club verbrachte, klingelte Lenz mich aus dem Schlaf. Noch halb in einer Fantasy-Traumwelt zwischen König Arthur und Zauberer Merlin, grobmototrisch und sprach-legasthenisch, verabredeten wir, wie das heute mit dem Open-Air laufen sollte. Dusche, Essen, los... zu Andree, zum Proberaum (Roto-Toms und so'n Zeug holen), zu Loon, zu Lenz. Der „Tannenbaum“ war bis zum Anschlag vollgestopft. Natürlich waren wieder alle viel zu spät dran - das wird wohl in diesem Leben nicht mehr pünktlich klappen - und der Wagen wurde getreten bis zum geht nicht mehr. Durch perfekte Ausschilderung von der Autobahn aus (die aber auch nötig war, weil das mitten im nirgendwo war) haben wir das Festival schnell gefunden. Das war eins von diesen luuschen Stoppelfeld-Festivals, umsonst & draussen, mit hundert Ständen, Millionen Zelten und den innovativsten umgebauten Wohnmobilen, die es gibt. Die Bands, die da auftraten, waren bunt zusammengewürfelt, aber natürlich so gemischt, das V-LENZ wieder das totale Kontrastprogramm darstellte und eigentlich so gar nicht da reinpasste... naja, wie immer eben, kennt man ja nicht anders. Die Swoons hat man schon mal irgendwo gesehen und Lecker Sachen (Folk HipHop) waren die einzigen, von denen man eben schon mal was gehört hatte, der Rest waren wohl so lokale Truppen. Es gab keinen Soundcheck, sondern nur einen kurzen LineCheck vorher - was ja nicht weiter schlimm wäre, aber dass der Commander (Schwarzer) vielleicht nicht da ist, weil der noch einen zweiten Misch-Job an diesem Abend hatte, liess in Lenz's Gesicht ein paar Sorgenfalten entstehen. Wir schlugen uns die Zeit um die Ohren, indem wir luusch über das Gelände schlenderten und uns überlegten, wie wir am eindrucksvollsten irgendwelche schlimmen Verletzungen simulieren konnten, weil da die hübscheste Sanitäterin rumlief, die je einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert hat... Weisse Sani-Hose, rote Sani-Weste und darunter konnte man nur ein klitzekleines weisses Top erahnen. Die süsse Sani-Maus hat uns so angeturnt, dass wir fast um die Wette krank werden wollten...
 
Es wurde später und später. Schwarzer rief an und sagte, er sei unterwegs, also doch Hoffnung. Es wurde noch später, es wurde dunkel. Umbau. Ich verkabelte die ganze Stage und machte die Pyro's klar. Kurzer Linecheck und genau just in time betritt der Commander die Kanzel und macht sich der Regler mächtig... Lenz atmete auf. Nach einer peinlichen Anmoderation irgendeines "Wichtigen" ging‘s los. Intro... BANG...Apokalyptische Verse! Alle Pyro's haben erfolgreich die Kinnladen der Zuschauer nach unten gehen lassen. Die Jungs rocken los und werfen plötzlich verwirrte Blicke in Richtung Monitor- Mischer. Nur Stimme auf dem Monitor - null DAT. Lenz lief zu dem Freak und versuchte ihm klarzumachen, was geht. Der wusste gar nicht, wie ihm geschah. Oh, mann, das sind Profi's, möchte man meinen, die so ein Problem raushören, aber der Kollege gehörte definitiv nicht in diese Kategorie. Nächste Strophe, Lenz musste weitermachen. Ich schoss hinter der Bühne hervor und brüllte gegen den Refrain von Apo-Verse an: "Das DAT muss auf die Front-Monitore!!!" Der Typ entwickelte die gewaltigste Falte in der Geschichte des Stirnrunzelns und hatte nur ein behämmertes "häähh?" auf den Lippen. Das konnte doch nicht wahr sein... "das DAT!!!!". "Ach sooo" - endlich klingelte es bei ihm - "äh, ja dafür hätte der DAT-Recorder hier stehen müssen...". So ein Schwachsinn. Ich legte einen bösen Blick auf (haha) und versuchte meiner Forderung durch eine 3 Oktaven tiefere Stimme mehr Ausdruck zu verleihen - "Alter, sieh zu, dass Du einen Return hier auf die Frontmonitore legst!" Und Schwupp, zog er los, um die Sache mit den FOH-Kollegen zu klären. Ein Kabel umgesteckt, an ein paar Reglern rumgespielt und auf einmal war alles da. Das war doch gar nicht so schwer, oder? OK, das Set lief dann ganz gut. Die Jungs haben es tatsächlich wieder geschafft, jeden Zweifler zu überzeugen. Der Veranstalter drückte Lenz vor dem Gig einen Zettel in die Hand, auf dem der Name einer Helferin/Mitveranstalterin stand, die an dem Tag 20 wurde und ein V-LENZ Fan sei. Lenz wusste genau was zu tun war. Also holte er die gewisse Nadine auf die Bühne und widmete ihr "Gottes Soldat". Er nahm ihre Hand, kniete nieder, schaute ihr verträumt in die Augen... "wie ein Engel sah sie aauusss.." Da wird normalerweise jede schwach. Aber die nich. Die wurde nur rot, zappelte verlegen rum und suchte das Loch im Bühnenboden, indem sie am liebsten sofort verschwunden wäre....hmm. Also pickte sich Lenz andere Engel mit Mörderhänden raus, suchte Ihre Augen und gab alles (verdammt, wo war die süsse Sanitäterin...?). Dann wurde es wieder härter. "DonnersNacht" und "Henker". BANG, Pyro am Start. Nochmal sah ich in begeisterte Gesichter, als wenn die Leute vor der Bühne noch nie ein Feuerwerk gesehen hätten. Lenz kündigte den letzten Song an und brüllte im Strobo-Gewitter "Fahr zur Hölle!!!". Die Leute rockten richtig ab, nett anzusehen. Nach kurzer Pause kamen die Zugaben - "Die Schriften" und "Feuer". Weil die Fans V-LENZ aber nicht gehen lassen wollten, kündigte Lenz an, etwas zu machen, was ihm mächtig Ärger einhandeln könnte, aber er würde drauf scheissen. Also lud er alle ein, auf die Bühne zu kommen und es richtig rocken zu lassen und nochmal mit ihm zur Hölle zu fahren. Also stieg einer nach dem anderen auf die Stage (und zertrampelte mit erstaunlicher Zielsicherheit Kabel, Stecker und Pyroabschuss-Stationen...grumpf...) und war bereit für Rock'n'Roll. Tja, dem FOH-Mann fiel natürlich sofort die Kippe aus dem Hals und zog schneller als Schwarzer Piep sagen konnte alle Regler runter und murmelte "Mit mir nicht!". Naa gut, kann man ja auch verstehen, der gute Mann hatte schliesslich teures Equipment da stehen, wo gerade ca. 50 Leute drüber kletterten... Also musste Lenz die Hälfte wieder runterschicken, bevor der Verantwortliche wieder grünes Licht gab und zur Hölle fuhr. Die Leute feierten, tanzten, gröhlten - korrekt.
Für's Protokoll: Im nächsten Gastspielvertrag festhalten, dass die Bühne für Publikum zugänglich sein sollte und mindestens 150 Leute aushalten muss. (ja gut, war ja nur eine Idee...).
 
Nach dem Gig stürmten die Fans den Merchandise-Stand und kauften die CD's innerhalb von 2 Minuten weg. Das beobachteten wir mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn da hätten wir das dreifache verkaufen können, wenn mehr Material verfügbar gewesen wäre. Es ist dann ziemlich schnell leer geworden, sodass da nicht mehr wirklich Party angesagt war. Andree und ich zogen in so eine Mischung aus Pavillon und BW-Zelt, dass zum Pennen zur Verfügung stand und suchten Ruhe - die wir nicht finden sollten... IGITT. Denn keine zwei Minuten später kamen auch Lenz, Loon und eine Handvoll Fans in das Zelt und riefen "Fete!". Da wurden dann bis in den Sonnenaufgang Geschichten von diversen Mexiko-Trips und ähnlichem aufgetischt und das brachte uns um den wohlverdienten Schlaf, obwohl Andree doch durch einen gewissen Alkoholpegel den Vorteil hatte, irgendwann einpennen zu können und dann auch noch laut schnarchte, was meine letzte Hoffnung auf eine Minute Schlaf gänzlich schwinden liess. Mit der aufgehenden Sonne wurde es unerträglich heiss in dem Zelt, also versuchte ich einfach draussen mein Glück. Lenz und Kruse haben sich in Ihre Autos schlafen gelegt, aber das konnte auch nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die Kisten sich in der Sonne Treibhauseffekttechnisch zu Backöfen auf Rädern entwickeln. Ich legte mich also einfach irgendwo in die Sonne und bin mir nicht sicher, aber vielleicht war ich tatsächlich kurz so 5 Minuten nicht bei Bewusstsein. Als dann ein Festivalhelfer nach dem anderen über mich stolperte und auch Lenz und Kruse mittlerweile fast gar gekocht aus ihren Autos stiegen, habe ich es dann aufgegeben und mich damit abgefunden, keine Erholung mehr zu finden. Nachdem wir den restlichen Stuff in den Tannenbaum gequetscht hatten, machten wir uns auf den Heimweg, aber konnten es uns natürlich nicht nehmen lassen, uns von der süssen Sanitäterin gebührend zu verabschieden. Zucker..., ehrlich.