V-LENZ & Bananafishbones, Gaggenau
Donnerstag, 23. Dezember 1999
 
Ho, ho, ho, es weihnachtet sehr. Alle versuchen, Weihnachten möglichst elegant zu verpassen. Und was kann man da besseres machen als FETE? Und da ein Gig für den 23.12. geplant war, hatten wir alle schon mal eine gute Ausrede, um nicht an einem behämmerten Familien-Zeremoniell zu Heiligabend teilzunehmen.
 
Wir fuhren Donnerstag mit zwei Autos los. Lenz hat mit dem Tannenbaum DeziBel, Maik T und Ditze's Freundin abgeholt. Ich sass mit Dr. Pilze, Schwarzer und Loon im „Commander-Dreizack“. Die Fahrt nach Gaggenau war kein Zuckerschlecken, weil die Radiostationen von gefährlichem Eisregen berichteten - und
Recht haben sollten! Diverse Unfälle auf der Autobahn bekamen wir zu sehen, liessen diese links liegen und bahnten uns vorsichtig den Weg gen Süden. Endlich angekommen, fanden wir eine durchaus taugliche Location und eine korrekte, semi-professionelle Organisation vor. Und dann auch noch die überraschende Nachricht, dass diese Veranstaltung mit 1200 Leuten komplett ausverkauft ist... korrekt! Ich fragte später einen der Veranstalter, wie die das machen - drei lokale Schülerbands, V-LENZ Co-Headliner und zum Schluss Bananafishbones - da würde in unserer Region nicht die Hälfte kommen. Er entgegnete, dass sie wohl auch doppelt so viele Karten hätten verkaufen können, wenn sie eine grössere Location zur Verfügung hätten. Das ganze liegt wohl daran, dass es sich hier um eine Traditionsveranstaltung handelt, die seit 13 Jahren erfolgreich durchgeführt wird. Na gut, das erklärt einiges. Andererseits ist das da auch nicht gerade der Nabel der Welt und so freuen sich die Einheimischen wohl auf jede Fete...
 
Von den drei Support-Bands ist wohl nur "She goes Bang" hervorhebenswert, weil die Frontfrau genügend Charisma hat, um diese Truppe eventuell erfolgreich zu machen. Aber der Sound war halt nicht wirklich mein Geschmack. Nachdem wir uns alle über das nette Catering hergemacht und uns die Bäuche vollgestopft hatten, betrat einer der Veranstalter den V-LENZ-Backstageraum und übergab unterwürfig den bestellten Sambuca. SAMBUCA? Ich schaute Lenz fragend an. Der hat doch tatsächlich seit neuesten  eine Pulle Sambuca auf der Catering-Liste stehen...*kopfschüttel*. Es dauerte keine Minute, als die halbe Flasche schon (ziemlich niveaulos) auf ein paar Kaffeetassen verteilt wurde und diverse Kehlen hinunterfloss. Prost.
 
Es wurde langsam Zeit, mich auf meine verantwortungsvolle Aufgabe vorzubereiten - Mission Pyrotechnik. Leatherman-schwingend machte ich mich ans Werk sämtliche Abschuss-Stationen zu munitionieren und zu verkabeln. Als ich soweit damit fertig war, kündigte Lenz an, dass wir heute "Pyroeffekt - Level 2" zelebrieren werden. Er hatte nämlich für ein Vermögen Hightech-Brandgel gekauft, dass in einer (ich konnte es auch nicht glauben, bis ich es mit eigenen Augen gesehen habe) mega-dunkelroten, unwirklichen, unglaublichen und wunderschönen Flamme abbrennt. Also haben wir das Zeug in zwei Terracotta-Schalen gefüllt, rechts und links von dem DJ-Pult auf die Bühne gestellt und zum Beginn des Gigs angezündet. Damit ich für alle Fälle gerüstet war, legte ich mir einen handlichen Feuerlöscher und eine Decke bereit, um gegebenenfalls das schlimmste verhindern zu können.
 
Ok, alles war startklar. Ich zündete die Schalen an und verliess die Bühne. Die Jungs drauf, Licht aus. Boah, Hammer! Wie genial das Feuer aussah, HEFTIG! Intro... Spannungsaufbau... BANG! Apokalyptische Verse! Auch die anderen Pyroeffekte (Theaterblitz, Knaller) zündeten perfekt und läuteten die Show ein. Wie gesagt, es war rappelvoll (eben weit mehr als 1000 Leute) und die fanden dann nach der ersten Schrecksekunde und dem typischen "Öh... was ist das denn für ein heftiger Sound?" eigentlich recht schnell den Zugang zu dem, was ihnen da geboten wurde. Das sah von der Bühne echt richtig gut aus, diese Menschenmenge. Ich mischte mich auch mal kurz zwischen die Leute vor der Bühne, um mir die Flammen auch noch mal von vorne anzusehen. Einfach göttlich. Allerdings musste ich nach dem zweiten Song die Flammen ersticken, indem ich einfach einen Teller auf die Schalen legte, denn Terracotta erwies sich dann leider doch nicht als hundertprozentig richtige Wahl. Ich beobachtete noch einen Song lang, ob die Flammen wirklich erstickt waren, konnte dann aber den Rest des Gigs geniessen und noch mal bei "Henker" effektvoll "einen krachen lassen". Auch diesmal zündeten die alle Pyro's planmässig. Die Zugaben "Fahr zur Hölle" und "Die Schriften" wurden korrekt abgefeiert.
 
Ich berichtete Lenz später, was da abging und das wir das Gel in Stahl-Schalen abbrennen und die Dinger auch höher stellen müssen. Interessant war auch, dass wir das Gel sogar noch benutzen konnten. Es hat lediglich die Konsistenz von "Vanillepudding" nach "krümelig" gewandelt. Ich hab es einfach aus den Schalen gekratzt und zurück in den Behälter gestopft. Recycling total.
 
Nach einer Weile Rumhängen im Backstage und restlosen Vernichtung des Sambucas feierten wir noch ein wenig und stürzten uns ins Getümmel. Nebenbei spielten halt die Bananafishbones - aber eben nur nebenbei. Die spielten mehr für sich, als für die Leute. Das ist halt so Hintergrund-Fahrstuhl-Musik. Die Leute haben sich luusch unterhalten dabei oder ähnliches. Das war eben Sound zum "Wiederrunter- kommen", nachdem V-LENZ gerade die volle Breitseite verteilt hat.
 
Irgendwann musste ich halt die sternhagelvolle Meute ins Hotel fahren (6 Freaks im Tannenbaum). Andree hat noch eine Frau mitgenommen, die ich ihm organisiert habe. Er fand die halt ganz nett, hat sich aber nicht getraut, die anzusprechen. Da hab ich's dann halt für ihn gemacht. Hat auch funktioniert, wie man gesehen hat.
 
Dann kam dann die totale Hotelschlüssel-Verwirrung. Die Aufteilung der Zimmer hatte sich halt irgendwann irgendwie ergeben, sodass Lenz und ich ein Zimmer hatten, Ditze und seine Frau eins, etc... Lenz kramte in seiner Tasche und holte die Schlüssel hervor - wovon alle Zimmernummern hatten, nur einer nicht... er verteilte die Keys an seine Crew und gab Andree auch einen von den Beschrifteten, damit der sich ohne Probleme mit seiner Errungenschaft für die Nacht verziehen konnte (oh mann, wie sozial...). Das Ende vom Lied war also, dass Lenz und ich mit dem unbeschrifteten Schlüssel auf dem Flur standen und nicht wussten, welches unser Zimmer war... ich war viel zu müde, um mich aufregen zu können, daher schob ich einfach Lenz die Schuld und auch die Verantwortung für unseren wohlverdienten Schlaf zu. Er solle checken, in welche Tür unser Schlüssel passt. Und das war schliesslich nicht so einfach, er konnte ja nicht zu jeder Tür gehen, den Schlüssel-Check machen und womöglich noch reingehen - wenn er sich irrte, hätte er wohl in ziemlich verdutze Gesichter irgendwelcher Hotelgäste geschaut, die sich dann um ca. 4 h morgens etwas gestört gefühlt hätten und ihm den Hotel-Dackel auf den Hals gehetzt hätten. Wir sammelten uns erstmal in Andree's Zimmer um noch ein wenig rumzualbern und zu quatschen, das verschaffte Lenz noch ein wenig Zeit. Ich versuchte zwischen meiner Müdigkeit ab und zu besonders giftig zu Lenz rüber zu schauen, damit er sich bloss für diese Situation schuldig fühlt und eine Lösung findet. Dennoch war gänzlich ungewiss, wo wir die Nacht verbringen. Das Problem erledigte sich dann beinahe von selbst, weil Andree's Groupie plötzlich meinte, sie müsse ja jetzt nach Hause. Hä? Naja, also hat Andree sie zu Fuß (!!!) nach Hause gebracht und war wohl so insgesamt ca. anderthalb Stunden in der Kälte draussen unterwegs... oh mann, und das alles für einen Abschiedsschmatzer auf die Wange...
 
Als ich dann endlich in meinem gemütlichen Hotelbettchen lag und die Decke über den Kopf zog kehrte eine selige Ruhe ein. Aber nur ganze 5 Minuten. Plötzlich raschelte und rappelte es von nebenan (5 h morgens!), und nur noch das Stöhnen konnte das ganze toppen - da hat also der Tourmanager von den Bananafishbones mit seiner suspekten, in einem schlechten 80er Teenie-Streifen hängengebliebenen Gothik-Freundin eine Nummer geschoben, an der wohl sämtliche Hotelgäste ihren Spass hatten (wegen extrem dünner Wände). Besonders Lenz, weil der mal prompt aufstand und sein Ohr gegen die Wand drückte, sich dann mitten ins Zimmer setzte und sich einen runterholte...oh Gott! Er hatte sogar überlegt, ob er nicht auf den Balkon laufen und rüber ins benachbarte Zimmer schielen soll. *Schüttel, schüttel*... oh nein, er kommt schon... halt, warte auf mich... *schüttel schneller*... Hat aber nicht gereicht. Unbefriedigt legte sich Lenz wieder ins Bett und konnte meinen fragenden Blick gar nicht verstehen. Nach viel zu wenig Schlaf und einem spartanischem Frühstück machten wir uns wieder auf den langen Heimweg, der zum Glück nicht so glatt war, wie der Hinweg. Und selten hatte wir am Heiligabend so fette Ringe unter den Augen wie dieses Jahr.
 
Frohe Weihnachten.