Doppelkonzert, JZ Vechta / Westfalenhallen Dortmund
Sonntag, 23. April 2000
Nach der kurzen Pause, in der sich V-LENZ auf den Brettern, die die Welt bedeuten, eher rar gemacht hat, um neues Material zu schreiben, stand nun endlich der erste Gig im neuen Jahrtausend auf dem Programm. Eigentlich waren es sogar zwei auf einmal - erst bei einem Osterfestival in Vechta, dann ein paar Stunden später in den Dortmunder Westfalenhallen bei "Soundgarden on Tour". Das sollte ein vielversprechender Tag werden. Stressig zwar, aber das war ja nicht das erste mal, dass zwei Gigs an einem Tag gespielt wurden, somit wussten wir alle, was auf uns zukam und waren dementsprechend vorbereitet.
Die A1 ist nicht weit und der Weg nach Vechta nicht schwer. Die Wegbeschreibung, die wir vorliegen hatten war eigentlich sehr gut, was Lenz aber nicht davon abhielt, als einer sagte "jetzt die nächste rechts rein" plötzlich das Lenkrad rumzureissen und völlig falsch auf ein Bahngelände abzubiegen. Das ganze passierte natürlich so plötzlich, dass der folgende Golf nicht ansatzweise die Chance hatte, hier hinterher zu fahren, sondern eher total verwirrt geradeaus dran vorbei jagte (was ja eigentlich der richtige Weg war). Lenz wedelte mit seinen Armen und versuchte mit Zeichensprache zu signalisieren, dass er sich vertan hätte und fädelte sich wieder in den Verkehr ein.
An der Location kamen wir zeitgleich mit einem weiteren Band-Bulli an, den wir bereits auf der Autobahn gesehen hatten. Schnell stellte sich heraus, dass es sich hier um "Readymade" handelte, was auch auf den Plakaten rund um das JZ dick zu lesen war. Keiner von uns wusste tatsächlich, dass Readymade heute hier auftreten, aber das konnte ja nur von Vorteil sein, da die ja einen gewissen Bekanntheitsgrad haben und - obwohl das ja ein völlig anderer Sound ist - viele Fans in das JZ ziehen würden. Ich wusste nicht so genau, ob die Readymade-Jungs mich wiedererkennen würden, denn ich habe mich in der Funktion als Bandbetreuer auf dem Arnsberger Schlossbergfestival um ihr Wohlergehen gekümmert, aber ich entschloss mich für ein normales "Hallo", weil man ja mit hunderten Freaks auf so einer Tour zu tun hat und sich nicht jedes Gesicht merken kann.
OH MEIN GOTT! Bekommen wir dann bald Kuschelrock-Songs von V-L ENZ zu hören??? Wohl kaum. Aber vielleicht wirkt sich eine Inspirationsquelle einer anderen Art auf das kommende Material aus... Wir sind gespannt und verfolgen die Geschehnisse...
Zurück zu dem verplinsten T-Shirt. Da aber so eine Shirt eine geniale Art der Werbung darstellt, suchten wir also eine Alternative - und ich wär wohl nicht der "Meister der Organisation", wenn ich nicht eine in Form eines Textil-Malstiftes "organisiert" hätte. In Wahrheit habe ich den Stift einfach da in dem Backstage-Raum gefunden, aber Psssst! Während Natalie und ich das gammelige Feinripp von Lenz bearbeiteten, sind die anderen auf die Idee gekommen, es direkt auf Lenz's Brust zu schreiben und malten skandalös unleserlich in einem unförmigen Bogen von Nippel zu Nippel die Internet-Adresse. Irgendwann haben dann alle eingesehen, dass das nun doch nicht so eine gute Idee war und versuchten das mit allen vorhandenen Mitteln wieder da runter zu kratzen (zum Glück war keine Drahtbürste zur Hand...).
Parallel hatten wir ein nettes Gespräch mit dem Backliner von Readymade, da der Kollege doch tatsächlich fast aus unserer Gegend stammt und somit auch ein paar witzige Geschichten von bekannten Musiker-Kollegen auf Lager hatte. Der hatte auch keine Skrupel, die Gutmütigkeit der fürsorglichen Veranstalter auf die Probe zu stellen und orderte mal eben einen Fernseher, damit er gleich Lindenstrasse schauen konnte... Die haben dann tatsächlich einen schweren, fetten Apparat in den Backstage-Raum getragen und versuchten, hier ein Programm zu finden. Da aber keines zu finden war, wurde halt eine Playstation angeschlossen und Tekken3 gezockt, bis die Finger wund waren.
Lenz verhüllte wieder seine sichtlich unter der Marketing-Behandlung gelittenen Brust (die war knallrot) und peilte mit mir zusammen die Lage im Veranstaltungsraum. Als ich dann beim Soundcheck die Pyros vorbereitete, wies ich Lenz darauf hin, dass einfach zu wenig Platz auf dieser Bühne dafür sei. Erst doch noch optimistisch, aber nachdem Schwarzer meine Meinung untermauerte, stimmte Lenz's zähneknirschend zu. Natürlich gefiel es mir auch nicht sonderlich, den ganzen Kram wieder einzupacken, aber das Motto lautet: Im Zweifelsfall nie! Und hätten wir es doch gemacht, hätte ich wahrscheinlich Maik T's Eier weggebombt, weil der genau da stand, wo Lenz die Pyro's haben wollte. Also - lieber canceln als ein Risiko eingehen.
Als es dann endlich losging, füllte sich der Saal langsam. Der Sound draussen war ok, aber Schwarzer hat auch die totale Volume-Kelle verteilt. Der hat auf jeden Fall nicht mit Lautstärke gegeizt. DeziBel hatte (das erste mal in der V-LENZ Live Geschichte) einen nicht ganz so guten Tag, was aber auch vielleicht daran gelegen hat, dass er hier nicht sein eigenes Equipment am Start hatte. Ein kleiner Höhepunkt des Konzertes war dann wohl definitiv, dass Lenz zum ersten Mal den Song "Gottes Soldat" nicht der Person widmete, für die er den Song geschrieben hatte, sondern ihn mit Hingabe für die anwesende Natalie performte. Kurz vor dem Auftritt verteilte Lenz die Setlisten und hatte wohl irgendwie eine über und drückte sie mir in die Hand, weil er gerade nicht wusste, wohin damit. Ich stopfte die einfach in eine Hosentasche und wie der Zufall es wollte, hatte Lenz seine eigene wohl verschlampt (oder gar mir gegeben). Jedenfalls stand er schon nach dem ersten Song ratlos auf der Bühne und suchte verzweifelt seine Setlist. Also ging ich zur Stage und breitete, die, die er mir fünf Minuten zuvor gegeben hatte vor seiner Monitorbox aus. Lenz bedankte sich mit einem Lächeln, dass nach "Was würde ich nur ohne Dich machen?" aussah - ich weiss, Lenz, ich weiss. Dafür bin ich ja da.
Das Publikum teilte sich wie immer in die kopfschüttlenden Zweifler und in die begeisterten Neugierigen, wo die Betonung auf "Gier" liegt. Sie fieberten quasi jedem neuen Song entgegen. Nach dem Auftritt gibt es aus Vechta nicht mehr viel zu berichten, weil wir innerhalb von 20 Minuten schon wieder in den Autos saßen auf dem Weg nach Dortmund waren. Mit einem weinenden Auge sah ich noch zum Abschied auf die heftige Metall-Halfpipe in der Nähe des Jugendzentrums, fest entschlossen, das nächste mal mein Skateboard im Gepäck zu haben. Beim Revue passieren lassen ist es mir schwerer gefallen, den schlechten Tag von DeziBel anzusprechen, als Ditze selbst. Er war sogar so reumütig, dass am Tag darauf eine Entschuldigung im V-LENZ Guestbook zu lesen war... Spinner! Jeder kann mal 'nen schlechten Tag erwischen, auch der beste DJ der Welt. Künstler eben.
Part II
In Dortmund angekommen öffnete der in der Windschutzscheibe liegende Durchfahrts- und Parkschein alle Tore (oder vielmehr Schranken in diesem Falle). Auf dem Backstage-Parkplatz der Westfalenhallen trafen wir auf Claus Grabke und die Alternative Allstars beim Einladen, denn ihr Auftritt war gerade vorbei. Auch hier hätte ich Claus gerne wieder in ein Gespräch verwickelt, denn wir haben schon vor 10 Jahren die Rampen dieser Republik mit unseren Rollbrettern bearbeitet, aber da noch genug Arbeit vor uns lag, zog ich es vor, auf den Small-Talk zu verzichten und checkte erstmal mit den anderen die Location. Wir kannten die ganze Sache ja schon, weil V-LENZ bereits bei einer "Soundgarden on Tour"- Veranstaltung in den Westfalenhallen aufgetreten ist. Man händigte uns Backstage-Pässe aus und führte uns zur "V-LENZ Garderobe" - klingt nett, gell? Im Grunde war es aber auch nur ein kalter, weisser Raum, mit zwei Spiegeln und zwei, drei Stühlen drin. Fertig. Nicht gerade zum chillen oder Fete machen geeignet, aber naja, man nimmt, was auf den Tisch kommt. Der erste, der mit einem gehäuften Teller Food in den Backstage-Raum kam, hiess natürlich Maik T (wie könnte es anders sein), dicht gefolgt von Andree. Wir waren ziemlich gespannt auf die Band, die unmittelbar vor V-LENZ spielte und "Crosscut" heisst. Der DJ vom Soundgarden hatte mir und Lenz ein paar Songs vorgespielt und wir waren hellauf begeistert. Klang sehr nach Korn, aber Korn ist schliesslich auch geil. Das Demo versprach nicht zu viel, denn auch live konnten sie überzeugen. Hier schlummert Potential, soviel ist sicher.
Während der ausgiebigen Umbaupause war leider immer noch nicht klar, ob hier nun Pyro's am Start sind, oder nicht. Lenz schlug vor, schonmal die Stationen und die Verkabelung vorzubereiten, auch ohne zu wissen, ob wir sie einsetzen können oder nicht. Das schlimmste was passieren kann, wäre eben, dass ich den Kram halt wieder einpacken muss. Mit meiner Maglite (Taschenlampe) zwischen den Zähnen und dem Leatherman in der Hand fummelte ich hinter der Bühne das Zeug zurecht. Gerade fertig geworden, sehe ich Lenz mit dem Chef-Techniker sprechen, der auffällig den Kopf schüttelt und das wohl mein Commando zum Einpacken bedeuten sollte. Die Bestätigung brachte mir Lenz dann einen Moment später und ich fing an, den Pyrotechnik-Kram wieder einzupacken. Als dass der Kollege sah, der eben noch das Verbot aussprach, kam er sogar noch zu mir rüber und entschuldigte sich bei mir dafür. Damit hatte ich ja prinzipiell kein Problem, wenn es nicht geht, geht's halt nicht, nur die Begründung will ich noch nicht so ganz verstehen... Aufgrund der (kaum nennenswerten) Rauchbildung können die Pyro's nicht gezündet werden, schon die Nebelmaschinen hätten eine Feuerschutztür ausgelöst. Gut, das kann man verstehen, aber da stehen knapp 10.000 rauchende Leute in der Hütte und ein Knopfdruck auf die Nebelmaschine macht mehr Terror als 100 Pyro-Effekte. Aber es lag mir fern, hier zu diskutieren und so packte ich eben in aller Seelenruhe das Zeug wieder weg und konzentrierte mich auf das, was noch kommen sollte. Eigentlich war ja gar nichts aufzubauen diesmal. Ein DJ-Tisch mit Turntables stand schon von Crosscut da, DeziBel musste also lediglich den Mischer anschliessen - fertig. Die Mikro's wurden einfach so in dem normalen Disco-Betrieb zwischendurch gecheckt und dann konnte es eigentlich auch schon losgehen. Ich ging vor die Bühne und checkte, wie der Sound draussen war. Laut und gut, was will man mehr. Ich bemerkte, dass DeziBel einige Probleme hatte, weil seine Nadel sprang, also fing ich Andree's Aufmerksamkeit und signalisierte ihm, er solle nicht so wild so knapp vor dem DJ-Tisch rumspringen. Aufgrund des verplinsten "www.v-lenz.de"-T-Shirts hatte Lenz sich fest vorgenommen, die Internetadresse einfach zwischen zwei Songs zu erwähnen. Ich hatte es geahnt, dass er im Eifer des Gefechts auch das vergessen würde, versuchte erst von der Bühneseite seinen Blick zu fangen und ihn daran zu erinnern, dann kämpfte ich mich durch die Massen vor der Bühne, aber da muss ich wohl total untergegangen sein. Hat jedenfalls nicht funktioniert. Ausgerechnet bei meinen persönlichen Lieblingssong (Teufelsliebe) hat Lenz die Strophen durcheinandergewürfelt und auch Maik T. und Andree sichtlich verwirrt. Aber egal, die Doppler stimmten. Zum guten Schluss hat Lenz die Menge noch mit dem "Henker" verwöhnt und man konnte erkennen, dass die anwesenden diesen Song aus dem Soundgarden kennen. Lauthals brüllten sie den Refrain mit. Und plötzlich war es auch schon wieder vorbei. 4 Songs sind definitiv zu wenig, jetzt waren die Jungs und das Publikum erst warm geworden und hätten jetzt auch noch das ganze Programm kicken können, aber der enge Zeitplan dieser Veranstaltung liess leider nicht mehr zu.
Nach dem Gig schlenderten alle ziemlich geschafft in die Garderobe und schnappten nach Luft. Resümeeziehend wurden hier die kleinen Fehler angesprochen, um diese beim nächsten Gig ausschliessen zu können (ja, DeziBel, ich weiss, du wirst immer das Problem mit abspackenden Bandkollegen vor deinem DJ-Tisch haben und das wird sich so leicht nicht ändern lassen). Als ich Lenz dann an die vergessene Internet-Adresse erinnerte, waren alle anderen Fehlerchen null und nichtig und darüber hat er sich mit Abstand am meisten (über sich selbst) aufgeregt, weil das eine sehr einfache Möglichkeit gewesen wäre, mal eben knapp 10.000 Freaks die Adresse mitzuteilen.
Mittlerweile ist es auch schon recht spät geworden und langsam ging dieser Party die Luft aus. Ich schlich noch ein wenig durch die Hallen, weil ich ja noch gar nicht viel von dieser Fete gesehen habe. In der Techno-Fetenmusik-Halle musste ich mit ansehen, wie tausende Freaks zu "Anton aus Tirol" so ausklinkten, als stünde Britney Spears nackt auf der Bühne... und am meisten Spass daran hatte DJ Pögi, der mit dem breitesten Grinsen das Treiben beobachtete. Ich war schwer beeindruckt, was die hier an Licht-Geraffel aufgebaut hatten. Die ganze Hallendecke war übersät mit Scannern, Vari*Lights, und Millionen 64er Kannen. Und selbst zu diesem Schlager-Pop-Scheiss sah die Lightshow echt geil aus. Trotzdem habe ich es nicht länger als 5 Minuten hier drin ausgehalten.
Hmmm, es war ja Ostersonntag, also überall Fete angesagt, aber irgendwie waren wohl alle Batterien empty, keiner hatte mehr Elan irgendwas zu unternehmen, geschweige denn zu feiern. Eigentlich eher ungewöhnlich, aber es lagen ja auch schon zwei Gigs an diesem Abend hinter uns. Nachdem Lenz noch mit den Crosscut-Jungs einen Remix klar gemacht hat, packten wir auch schon langsam unsere Sachen und wieder einmal war ich es, der als letzter ins Bett gekommen ist, nachdem alle V-LENZer sicher zu Hause abgeliefert waren.
Gute Nacht.