Rocktempel Underground Open Air, Stade
Samstag, 2. September 2000
So. Hier muss ich erstmal richtig die Messer wetzen... denn dieses Erlebnis wollen alle am liebsten verdrängen und als übelster Flop der V-LENZ-Konzert-Geschichte schnell vergessen. Dabei hat es ja noch nicht mal ein V-LENZ-Konzert gegeben! Verwirrend? Ich weiss. Und wie!
Dieses Trauerspiel begann damit, dass ich einige Wochen zuvor auf die entsprechende Homepage dieser Veranstaltung klickte, um herauszufinden, welche anderen Bands hier noch auftreten. Doch dieser Webauftrtitt war dermaßen benutzerunfreundlich, unglaublich scheisse gestaltet und so gar nicht informativ, so dass diese Page noch lange den Platz als unangefochtener Spitzenreiter in der Hall of Fame der beschissensten Webseiten der Internet-Geschichte verteidigen wird... Ich konnte es mir natürlich nicht nehmen lassen, hier sofort einen Gästebuch-Eintrag reinzusetzen, um meiner Empörung Luft zu machen, denn hier waren keine Informationen zu den Bands hinterlegt, kein Zeitplan, ja noch nicht mal, welche Band an welchem der beiden Auftrittstage auf der Bühne stehen wird. Eine behämmerte Animation, in der ein lächerlicher Bart Simpson uns seinen nackten Arsch zeigt und Fledermäuse zieren die viel zu bunte Erscheinung dieser sinnlosen Page.Naja, das Ding wird uns allen noch lange als Negativ-Beispiel dienen. Die V-LENZ Site ist auch nicht der Renner und erst recht keine graphische Glanzleistung, aber im Gegensatz zur Rocktempel Sache geradezu himmlisch. Erstaunlich dagegen aber das Line-Up: hier waren unter anderem neben Daily Terror und Dimple Minds auch Specializts und Such a Surge gelistet. Das könnte ja bedeuten, dass hier doch einige Gäste zu erwarten waren.
Am Freitag lief Lenz's Telefon heiss und diverse Bands, sowie Kruse berichteten von einer Katastrophensituation vor Ort. Nein, kein Erdbeben oder sonstige Naturgewalt - es waren genau 0 zahlende Gäste da (in Worten: Null)... Somit sah sich der Veranstalter mit einem Dutzend Bands konfrontiert, die um ihre Gage bangten und somit Klarheit suchten. Da er nicht zahlen konnte/wollte, reiste eine Combo nach der anderen wieder ab und liessen die da Ihren Mist alleine machen. Gerüchte behaupten, die einzige Band, die da zu später Stunde vor einer Handvoll Leute gespielt haben soll waren Such a Surge, die damit wohl auch einfach nur ihre rechtliche Grundlage zu Ihrem Anspruch auf die vertragliche Gage sichern wollten (tipp ich jetzt mal so, ich denke mal nicht, dass die Kollegen wirklich Bock hatten, da aufzutreten...).
Somit bot sich an, dass anreisende Team auf ein Minimum zu reduzieren, um ggf. anfallende Kosten, die dann doch nicht mehr Veranstalter getragen werden können, so klein wie möglich zu halten. Also fuhren Lenz, DeziBel, Andree und meine Wenigkeit Richtung Norden, luden bei Bremen noch Kruse ins Auto und kamen nach Stade. Hier tauchten dann die ersten Festivalplakate auf, doch die Jungs wollten mir nicht glauben, dass es eben die RockTempel-Underground-Werbung sein sollte - ich hatte die stümperhaften Pseudo-Plakate ja schon im Internet gesehen. Man musste sich schon mindestens auf 90 cm Entfernung dem Plakat annähern, um auch nur irgendwas hier drauf zu erkennen (A1-Format!!!). Ohne die Wegbeschreibung beim Vertrag hätten wir die Location nie gefunden. Eigentlich haben doch Festivals dieser Grösse zumindest eine einfache Ausschilderung im Strassenverkehr, aber hier war halt alles etwas
anders.
Das Festivalgelände lag auf einem altem Militär-Stützpunkt, -Munitionslager, Bunker, was auch immer (hey, ich bin Kriegsdienstverweigerer, ich kenn mich mit so was nicht aus!) und mit etwas Geld und Aufwand hätte man hier richtig was draus machen können. Hat man aber nicht. Eine Bühne, die eigentlich auch nur ein aufgeklappter LKW war, gegenüber eine weitere Stage in einem kleinen Bunker. Ein paar Bierwagen, die der Getränkehändler aber hier schon wieder abbaute, wegen akuter erfolglosigkeit, ein trostloser Schmuckstand, der von jedem einmal besucht wurde (war ja sonst nicht viel zu tun), aber umgesetzt hat der auch nicht viel. Alles in allem war das schon echt jämmerlich.
Hitverdächtig auch die Backstageausweise, die eigentlich nix anderes waren als in blättchengrösse ausgedruckte Zettelchen mit dem Rocktempel-Logo drauf. Die Zeit verstrich und das Pokerspiel begann: Auftrittsort LKW? Nee, Bunker. Doch LKW. Oder doch lieber Bunker? Alle 5 Minuten wurde was anderes erzählt. Genau das selbe Spielchen im Bezug auf die Gage. Erst Panikmache, dann ist alles locker, dann nur Spritgeld, dann doch ein bisschen mehr. Fest entschlossen, hier auf jeden Fall aufzutreten, weil der Lenz ja nunmal von der Gage seine Brötchen für die nächsten Wochen bezahlen wollte, harrten wir der Dinge und wollten gerade nach NCOR auf der Mainstage aufbauen, als dann irgendeine Combo sich plötzlich dazwischen drängelte. Also war die Kontrolle hier mittlerweile echt beim Teufel. Und selbigen schien auch die Todesmetall-Band beschwören zu wollen, die da aufspielte. Da konnte auch die Bühnendeko, die aus zwei Papp-Maché-Türmen bestand, nicht über den schlechten Sound hinwegtäuschen.
Besonders überraschend war der Frontmann von DNL (ex-Disneyland), der uns anbot, wenn wir keine wirkliche Übernachtungsmöglichkeit haben, uns mit auf die DNL-Zimmer zu nehmen, um zumindest ein Dach über den Kopf zu haben. Eigentlich hatten wir den als ziemlich hochnäsig und arrogant in Erinnerung, aber hier waren wir doch angenehm überrascht. Wir bedankten uns und waren weiterhin fest im Glauben, dass ja für uns noch die entsprechenden Hotelzimmer gebucht seien. Noch... Lenz und Kruse verschwanden in Richtung Veranstalter, um die Gage und Unterkunft zu klären und wurden Zeuge, wie die Securitys einen verwirrten, betrunkenen Gast gegen seinen Willen auszogen, weil der wohl irgendwie in die naheliegende Elbe gefallen war oder so. Desweiteren berichteten Sie von Schüssen und Polizei-Präsenz. (was geht??)
In der Zwischenzeit wollten die Freaks von NCOR zum Hotel und die Schlüssel von den V-LENZ-Zimmern mitbringen. Aber als dann erst die Crew um 21:35 h für die Getränke bezahlen sollte und dann um 21: 45 h jemand von NCOR anrief und berichtete, dass die Hoteliers keine Keys rausrücken, weil der Veranstalter wohl schon am Vortag andere Unterkünfte geprellt hatte, lief das Fass endgültig über und Lenz und Kruse wieder zum Veranstalter. Der hatte sich mittlerweile abgesetzt und seine Frau, Freundin, Kollegin, oder wer das auch immer war, versuchte zu retten, was noch zu retten war. Und so kam dann Kruse mit einem Teil der Gage (oder sollte ich es hier vielleicht schon Konventionalstrafe nennen?) wieder, was aber noch lange nicht alles war. Es sollte tatsächlich noch eine Band auftreten und zwar Dimple Minds, die nur unter der Bedingung die Bühne betreten wollten, wenn Ihnen irgendeine Sicherheit angeboten wird und so kassierten Sie nach prüfendem Blick auf das entsprechende Vehikel den Fahrzeugschein vom Motorrad des Veranstalters ein.
Aber für V-LENZ ist der Zug auf jeden Fall abgefahren gewesen. Zum ersten Male der Bandgeschichte, trat V-LENZ aufgrund einer erfolglosen Veranstaltung nicht auf. Aber der zigfache Vertragsbruch der Veranstalter hebelt sogar ein altes Motto aus, das da heisst: "und wenn nur einer da ist, der interessiert und aktiviert ist, denk ich, dass es klar ist, was zu tun ist..." Irgendwann sind auch mal sämtliche Toleranz-Grenzen durchbrochen.
Leicht gefrustet über die Verschwendung von Zeit, Kosten und Aufwand für nix machten wir uns auf den Heimweg und dachten über den schlechtesten V-LENZ-Gig nach, der ja noch nicht mal einer war...